Thursday, January 7, 2010

Zuhause

Heute hatte ich einen Termin bei "meinem" Zahnarzt. Es sind nur etwa 7 Minuten zu Fuss und daher stapfte ich hinaus in die weisse Winterwelt. Die eisige Luft erhellte sofort mein Gemüt. Die letzten Tage waren schwierig, denn der Kulturschock kroch langsam durch meine Adern. Wo waren nur all die Kokosnuss-Palmen und die lächelnden Menschen in ihren bunten Gewändern? Schon nach drei Schritten lief mir die Postfrau über den Weg. "Hallo und noch ein gesundes neues Jahr" wünschte sie mir. Ein paar Meter weiter grüßte unser sympathischer Nachbar. Sicher hätte er sich gern noch mehr unterhalten, aber ich war in Eile. Einen Zahnarzt lässt man nicht warten... Ich kam nicht weit, da rief mir schon die nächste Nachbarin einen Neujahrsgruss zu. Und ob ich nun wieder da sei? Ja, ich bin "mal wieder" hier und lachte. Ich bog um die Ecke und sah die Kirchturmspitze in der Ferne leuchten. Das Haus meiner Oma stand nur ein paar hundert Meter entfernt. Ich entschied, ihr nach dem Termin einen Besuch abzustatten. Plötzlich empfand ich in der klirrenden Kälte etwas Warmes: das Gefühl zu Hause zu sein. Hier kannte ich die Strassen 'wie meine Westentasche' und die Menschen ebenso. Manche Dinge veränderten sich hier nur langsam und das war auch gut so. Denn überall strömt Neues auf mich ein und nirgendwo kann ich mich so sicher bewegen wie hier. Ich kenne alle Spielregeln und es gibt (fast) keine Überraschungen. Obwohl ich erst im Sommer völlig benommen an einem Zaun entlang lief, der quer durch die Landschaft meiner Kindheit gespannt wurde. Zu unserem Weihnachtsspaziergang hatte er sich bereits 'in Luft aufgelöst'.

Meine Erinnerungen trugen mich weiter die Strasse entlang. Ich dachte an meine Kursteilnehmer, die nun auf der ganzen Welt verstreut ihr Gutes taten. Was sie wohl gerade machten? Ob es ihnen gut erginge? Wie gern ich sie doch bei mir hätte. Und in Gedanken stellte ich mir vor, wie sie mit mir durch den Schnee stapften. Eine laute bunte Truppe: schwarz, weiß, gelb, blind, gross, klein, alt, jung... Einige von ihnen froren, denn es war das erste Mal, dass sie Schnee und Eiseskälte erlebten. Der winterliche Spaziergang machte uns allen grossen Spass. Aber plötzlich machte sich ein düsterer Gedanke breit: wahrscheinlich würden wir nie wieder alle zusammen kommen. Zu weit entfernt wohnten wir, zu unterschiedliche Leben führten wir , zu gering die Chance auf ein Wiedersehen. Ich entschloss, dichter neben ihnen zu laufen. Wir bogen erneut um die Ecke und nahmen die Strasse nun ganz für uns ein. Ich lief ein bisschen langsamer, damit auch alle mitkamen. Noch während ich grübelte, wie und wo wir uns wiedersehen könnten, erreichten wir unser Ziel: die 'Blaue Lagune', Wirkungsstätte der wahrscheinlich kreativsten Zahnärztin weit und breit. Mit lautem Gelächter folgten sie mir durch die Tür...und auf einmal wurde es ganz still. Ich drehte mich um und sah sie nicht mehr. Wahrscheinlich wollten sie doch lieber draußen auf mich warten.

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