Eben war mein dreijähriger Neffe zu Besuch. Er hatte nur 30 Minuten Zeit. Seine Mutter musste noch einkaufen und wollte den Berufsverkehr vermeiden. Wir konnten ihn dennoch überzeugen, seine Mütze und seine kleinen Handschuhe abzulegen, während er uns vom Schneemannbauen erzählte. Am Anfang immer etwas schüchtern, nachdem wir uns ein paar Tage nicht gesehen haben, stürzt er sich dann doch zielgerichtet auf seine Spielkiste. Er zieht ein Buch heraus und lässt mich schmunzeln. Obwohl er keine Geduld zum Zuhören der Geschichten hat, blättert er aufgeregt in dem Buch und beschreibt alle Bilder. Meine Mutter bittet mich, das neue Spiel aufzubauen. Mit kleinen Plasteangeln fischen wir Forellen und Seesterne aus einem winzigen Papp-Aquarium. Mein Neffe angelt die Schatztruhe und freut sich diebisch. Dann gibt seine Mutter ein Zeichen und er legt hastig die Angel auf den Tisch. Er murmelt "Ich muss los!" und stürzt aus dem Raum. Das ist ein Satz, den man sonst eher von geschäftigen Erwachsenen hört, die von einer Verpflichtung zur nächsten hasten, aber nicht von einem Dreijährigen.
Traurig stelle ich fest, dass selbst die Kinder unserer Gesellschaft unter dem Keine-Zeit-Syndrom leiden, beeinflusst durch ihr engstes Umfeld. Für meinen kleinen Neffen wünsche ich mir ausreichend Ruhe und Zeit zum Entdecken, Lernen, Begreifen.
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